Diagnose zur Eurokrise
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Zur Lösung der Eurokrise müssen wir erst mal eine Diagnose stellen. Vieles läuft hier ein wenig durcheinander, weil die Hauptursachen fast immer als Folge europäischer Defizite oder im Aufbau der europäischen Struktur ausgemacht werden. Die Folgen der Krise sind aber nicht die Europäische Union, sondern deren Mitgliedsstaaten.
Warum ist das so? Viele dieser Länder haben sich bislang nicht reformiert, weder wirtschaftlich noch institutionell, und viele von diesen Ländern bleiben Teil hartnäckiger Korruption. Die Europäische Union kann aber nicht zusammenfügen, wo viele Mitgliederstaaten gerade scheitern. Wenn also die Diagnose lautet, dass sich die Euro-Länder reformieren müssen, kann die Antwort auf die Krise nicht heißen, dass sich die EU noch weiter integriert.
Was würde geschehen, wenn ein europäischer Finanzminister zum Beispiel Deutschland sagen würde, es müsste mehr Geld ausgeben und sein Haushaltsdefizit anheben? Wie würden die Unterstützer von Le Pen oder des Linkspolitikers Mélenchon reagieren, wenn ein Euro-Finanzminister Frankreich Einschnitte in seinem Staatsbudget verordnen würde? Ein weiterer Rückschlag europäischer Integration wäre nicht auszuschließen.
Am Beispiel der Niederlande lassen sich die Strukturfehler klar erkennen, gerade wegen der Rolle Deutschlands. Sie erwarten von Deutschland stets eine Mäßigung für die EU Pläne der Mitgliedsstaaten, vor allem Frankreich und die südeuropäischen Länder. Deutschland tendiert aber immer zur Seite Frankreichs. Die Niederländer wollten den Euro eigentlich garnicht. Durch die engen wirtschaftlichen und finanziellen Verbindungen wollten sie nicht widersprechen.
Später hofften die Niederländer, dass die EZB auf deutschem Boden auch von deutscher Disziplin geprägt sein würde. Aber jetzt haben wir Mario Draghi und sein massives Anleihenprogramm zur Euro-Stützung. Wenn Deutschland jetzt zu voreilig dem französischen Optimismus nachgibt, dann können die Niederlande wenig anderes tun, als dem zu folgen und weiteren Integrationsschritten zuzustimmen.
Die Vorstellung, dass eine weitere Integration der EU zu einer Reform in den Mitgliedstaaten führen wird, ist nachweislich falsch. Sie hat zu Misstrauen zwischen den Ländern und gegenüber der EU geführt. Die Lehre aus den letzten 25 Jahren sollte daher sein: Zuerst müssen die Mitgliedstaaten reformieren, dann erst können wir über eine weitere Vertiefung reden.
Italien könnte bald die nächste Eurokrise auslösen. Die große Frage hier ist, ob es teurer ist, sie in der Eurozone zu halten oder ob man sie vom Euro erlöst.
Heute ist die Kritik an der Einführung des Euro sehr laut, jedenfalls in den Niederlanden. Auch die Art und Weise wie die EU sich erweitert hat oder wie schnell die Grenzen für die Schengenzone aufgehoben wurden, sollte uns zum Nachdenken bringen. Unsere EU-Politiker haben da in den letzten 25 Jahren ein allzu leichtfertiges Spiel mit der Geschichte getrieben.
horst krebs