Buchempfehlung vom Osterhasen: Das Leben ist ein Arschloch - und ich stecke mittendrin

Christine wächst bis zu ihrem siebten Lebensjahr recht frei in einem Dorf in Niedersachsen auf. Mit dem Umzug in die Stadt muss sie sich völlig neuen Anforderungen stellen. Bei ihren schon etwas betagteren Eltern, die nicht viel von antiautoritärer Erziehung halten, stößt sie mit ihrem Verhalten oft auf Unverständnis und Ablehnung. Konflikte sind vorprogrammiert. Anekdoten aus dem Leben eines eigenwilligen Kindes, ehrlich und humorvoll von der Autorin zu Papier gebracht.
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ISBN-13 : 978-3748194248
Leseprobe aus dem Buch:
Umzug in die Stadt
Ich besuchte die Dorfschule nur ein halbes Jahr, im Winter zogen wir bereits in die Stadt um, damit mein Vater nicht mehr so einen langen Arbeitsweg hatte. Außerdem existierten dort laut meiner Eltern bessere schulische Möglichkeiten, denn auf dem Dorf gab es nur eine Grundschule.
Mich störte es nicht, in die Stadt zu ziehen, auch wenn wir dann den kleinen Schrebergarten nicht mehr hatten, den meine Mutter für eine Bekannte verwaltete und ihn als Gegenleistung für uns bepflanzen durfte. Da gab es Erdbeeren, Tomaten, ein niedliches Gartenhäuschen mit zwei sich gegenüberliegenden Etagenbetten und einer winzigen Küche, aber auch ein eklig riechendes Plumpsklo mit vielen Fliegen und einen großen Misthaufen.
Den Umzug selbst bekam ich nicht mit, da ich während dieser Zeit bei einer anderen Familie untergebracht wurde.
Unsere neue Wohnung im vierten Stock beeindruckte mich nicht sonderlich. Das Bad war in einer ehemaligen Speisekammer eingebaut und lag auch wieder direkt hinter der Küche. Mein Zimmer hatte eine Dachschräge, ein winziges Fenster und war genauso kalt wie mein vorheriges (im Winter zeigte das Thermometer oft nur 4 Grad). Zuerst hatten wir lediglich in der Stube eine Heizmöglichkeit: einen schönen großen Kachelofen. Meine Mutter musste im Winter regelmäßig in den Keller und Holz sowie Kohle dafür die vier Etagen heraufschleppen. Ich liebte den Keller mit seinen düsteren Winkeln und dem muffigen Geruch. Dort wurden auch Einweckgläser, Zwiebeln und Kartoffeln gelagert.
Später ließen meine Eltern eine Etagenheizung einbauen. Dummerweise befand sich der Heizkessel in der Küche, und meine Mutter merkte jedes Mal, wenn ich den Heizkörper in meinem Zimmer aufdrehte, denn dann sprang der Kessel an. Prompt erschien sie im Kinderzimmer und drehte meine Heizung mit viel Gezeter wieder ab. Es war genau so ein Problem wie das Abziehen auf dem Klo, da wurde eisern gespart. Und wehe, ich wurde erwischt, wenn ich Wasser verplemperte. Abends brannte in der Stube nur eine kleine Stehlampe, damit meine Mutter ihre Zeitschriften lesen konnte. Mein Vater und ich saßen im Halbdunkel. Ja, auch Strom war teuer und durfte nicht unnötig vergeudet werden!
Nach den Winterferien begann die Schule. Wir mussten uns auf dem Schulhof in Zweierreihen aufstellen, Hand in Hand. Das kannte ich vom Dorf so nicht. Aber ich fand sehr schnell Anschluss - und diesmal waren es nicht nur Jungen sondern tatsächlich auch Mädchen. Mit zwei von ihnen freundete ich mich gleich an.
Mit dem Lehrstoff wurde es mir allerdings nicht so leicht gemacht. Hier in der Stadt schrieben sie schon ganze Sätze, während wir uns auf dem Dorf noch mit einzelnen Silben herumgequält hatten.
„Wenn Christine bis zum Sommer den Lehrstoff nicht aufgeholt hat, muss sie das Jahr wiederholen“, erklärte die Lehrerin meiner Mutter kurzerhand.
Was? Wiederholen? Das kam ja gar nicht in die Tüte, jetzt nachdem ich grad erst so gute Freunde gefunden hatte! Und als dumm wollte ich schließlich auch nicht dastehen!
Ich musste wirklich büffeln. Die waren auch im Rechnen viel weiter! Aber ich schaffte es und landete glücklich in der zweiten Klasse.
Ich mochte alle Fächer bis auf Musik. Beim Vorsingen bekam ich immer nur eine 4. Egal, wie sehr ich mich auch anstrengte, die Lehrerin wusste meinen Gesang einfach nicht zu würdigen.
In Leichtathletik erhielt ich dafür bei den Landesjugendspielen sogar eine Ehrenurkunde. Ich freute mich über den zweiten Platz. Nur mein Klassenfreund K. hatte mehr Punkte als ich erzielt, und dem gönnte ich das von ganzem Herzen. Er zählte zu jenen, mit denen ich am Nachmittag durch die Straßen zog, wenn ich nicht gerade mit den Freundinnen oder dem Rad quer durch die Stadt unterwegs war.
„Wir wussten ja nie, wo du warst“, sagte meine Mutter später.
Wie zuvor schon angeschnitten, der Winter war und ist meine schlimmste Jahreszeit. In jenem Jahr hatte es mich besonders stark erwischt: Mein Fieber stieg an, und ich durfte auf dem Sofa in der Stube liegen, dem einzigen warmen Raum der Wohnung. Abends runzelte meine Mutter besorgt die Stirn: „40,9“, sagte sie. „Ich rufe jetzt den Notarzt.“
Danach musste mein Vater unten im Hausflur warten, denn um 20 Uhr wurde die Haustür abgeschlossen, weil es keine Klingeln gab. Kein Vergnügen, wenn man bedenkt, dass unsere Wohnung im vierten Stock lag. Zustände wie im alten Rom!
Ich befand mich bereits in einer Art Schwebezustand, als der Arzt kam. Wie in einem Film sah ich mich und die anderen dort unten und fühlte mich ganz leicht. Ich weiß nicht, was der Mediziner mir gab, aber bald darauf war der schöne Zustand vorbei.
Warum habt ihr mich zurückgeholt? Ich wollte doch fliegen …
Im Sommer konnte ich mit Recht stolz auf mich sein. Meine Mutter war in aller Früh aufs Dorf gefahren, und ich sollte nach Schulschluss hinterherkommen. Dazu musste ich aber erst mit der Straßenbahn zum Bahnhof, dort in den richtigen Zug steigen und in W. in den Bus wechseln. Meine Mutter machte sich dann doch große Sorgen, da ich ja erst sieben war. Vielleicht ging ich unterwegs verloren und saß dann heulend in einer Ecke.
Aber ich kam heile und vergnügt auf dem Dorf an und wurde endlich sogar mal gelobt.
©byChristine Erdic
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Firmeninformation
Die deutsche Buchautorin Christine Erdic lebt zur Zeit hauptsächlich in der Türkei.
Beruflich unterrichtet sie in der Türkei Deutsch für Schüler (Nachhilfe), sie gab
Sprachtraining an der Uni und machte Übersetzungen für türkische Zeitungen.
Mehr Infos unter Meine Bücher- und Koboldecke
https://christineerdic.jimdofree.com/
https://literatur-reisetipps.blogspot.com/