Wie wäre es mit einem kleinen Ausflug nach Rumänien zu Graf Dracula?

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Auf den Spuren Draculas
Nepomuck hüpft ausgelassen von einem Bein aufs andere.
„Nach Schäßburg? Zur Geburtsstätte von Graf Dracula? Das ist ja quasi meine Heimat!“ Der kleine Kobold kann sich kaum wieder beruhigen, nachdem er von dem geplanten Ausflug erfahren hat. Alvin starrt ihn misstrauisch durch seine dicken Brillengläser an.
„Ach? Ich denke, du kommst aus Norwegen?“
„Ja, schon. Aber meine Vorfahren sind vor langer Zeit aus Rumänien ausgewandert. Großmutter erzählt uns oft die Geschichte, wie sie mit dem Grafen aus der Burg fliehen mussten, weil die Menschen sie in Brand stecken wollten. Sie war selbst dabei.“
Der Junge runzelt nachdenklich die Stirn. „Und was ist aus dem Grafen geworden?“
„Der wollte nach England zu Verwandten, aber die Kobolde sind nach Norwegen gezogen. Ihnen gefielen die Wälder dort so gut“, erwidert Nepomuck und kratzt sich am spitzen Ohr.
„Ah, schöne Wälder haben wir hier in Transsilvanien auch, wirst schon sehen. Und weißt du eigentlich, dass der Name Dracula von „Dracul“ abgeleitet wird? Das ist das rumänische Wort für Drache. Vlad II. Dracul war Mitglied des Drachenordens, der auch heute noch existieren soll.“ Alvin senkt verschwörerisch seine Stimme. Er ist in seinem Element, sobald es um Geschichte geht und seine Ohren glühen vor Eifer. Nein, das wusste Nepomuck nicht. Er erfährt noch mehr über Vlad II. Dracul und seinen Sohn Vlad III. Draculea – auch‚Vlad Tepes’ genannt – der zwar sehr grausam gewesen ist – aber ganz bestimmt kein blutsaugender Vampir, der sich in eine Fledermaus verwandeln kann.
„Er ließ seine Feinde auf Pfähle spießen, heißt es, aber er soll auch ein sehr guter und gerechter Kriegsherr gewesen sein“, verkündet der Elfjährige stolz. Nepomuck ist ein kleines bisschen enttäuscht: Ach? Wie schade! Also doch kein Vampir! Trotzdem freut er sich auf morgen.
Es ist nicht weit bis Schäßburg. Nepomuck nimmt ganz zappelig vor Erwartung neben Alvin auf dem kleinen Anhänger Platz, der von zwei braunen Pferden gezogen wird. Alvins Eltern sitzen vorn auf dem Kutschbock. Unterwegs begegnen ihnen vereinzelt ganz ähnliche Pferdewagen, auf deren Ladefläche sich Männer, Kinder und Frauen befinden. Die Mutter reicht kleine Hefekuchen, die wie Brot aussehen, und die Kinder beginnen fröhlich zu schmausen, während Bäume und Felder vorbeiziehen. Das hier ist Siebenbürgen in den Karpaten – auch als Transsilvanien bekannt. Die Sonne meint es heute gut und strahlt vom Himmel. Alvin stimmt ein Lied an, doch als Nepomuck einfallen will, winkt er resignierend ab: „Ach, Nepomuck, das ist ja total daneben! Du wechselst ständig die Tonarten!“
Der Kobold weiß nicht, was ‚Tonarten’ sind und krächzt unbekümmert weiter. Der Vater hält sich inzwischen lachend die Ohren zu. Die beiden Pferdchen kennen den Weg und traben glücklicherweise – trotz Nepos unmelodiösem Gejaule – auch ohne Zügelführung unbeirrt weiter.
„Wenn die Pferde scheuen, bist du schuld“, ruft er Nepomuck zu. Es kann nicht jeder so schön singen wie Alvin. Aber Hauptsache es macht Spaß!
Alvin kann einfach alles: Er ist der Klassenbeste und ein Allroundtalent. Dafür leidet der Junge aber an Kurzsichtigkeit und hat von Geburt an ein verkürztes Bein. Es ist eben niemand vollkommen!
Schäßburg präsentiert sich als schöner Ort mit niedlichen, zum Teil bunt angestrichenen Häuschen. Hier sieht es gar nicht gruselig aus, und das Geburtshaus von Vlad Tepes oder auch Vlad III Draculea (dem „Sohn des Drachen“) leuchtet in einem freundlichen Gelb. Sein Vater, Fürst Dracul, soll hier von 1431 bis 1461 Asyl gefunden haben – so steht es jedenfalls auf dem Schild. Drinnen erwartet die Besucher eine Überraschung: Das Haus ist zu einem Restaurant umfunktioniert worden, in dem man unter anderem eine blutrote Tomatensuppe bestellen kann. Doch die möchte jetzt niemand essen. Über ein paar Treppen gelangt man in Vlads Geburtszimmer, in dem ein Sarg aufgebaut ist und man sich mit einem grinsenden Vampir fotografieren lassen kann. Nepomuck stellt sich sofort neben ihn, doch Alvin zupft den kleinen Kobold verstohlen am Hemd.
„Der Dracula ist doch gar nicht echt, und sein Geburtshaus ist das auch nicht. Es wurde ja erst im 17. Jahrhundert erbaut“, wispert er ihm zu. Na, so ein Schwindel!
Sie besichtigen die schöne Altstadt mit der historischen Burg – die sogar noch bewohnt
ist – und die Klosterkirche. Dann nehmen sie in einem Café Platz und genießen den Blick auf
den Burgplatz bei Kakao und Kuchen.
„Hier in der Altstadt stehen 140 Häuser aus ganz verschiedenen Epochen: Barock, Gotik,
Renaissance …“, erläutert Alvin. Doch Nepomuck unterbricht: „Wann besichtigen wir das
Dracula-Schloss?“
Alvins Vater lacht: „Für heute hatten wir genug Dracula. Nach Bran fahren wir morgen mit
dem Auto, das ist nämlich ein bisschen weiter weg.“
Am nächsten Tag erweist sich das Wetter leider als nicht so schön: Der Himmel ist wolkenverhangen und es weht ein frischer Wind. Nepomuck ist froh, nicht in dem offenen Pferdewagen reisen zu müssen.
Schloss Dracula erhebt sich düster und drohend auf dem Gipfel eines bewaldeten Hügels. Während des Aufstiegs passieren sie Verkaufsbuden mit Plastikgebissen und anderem kitschigen Krimskrams.
„Na, Nepomuck, wie wär’s?“, grinst Alvin, doch der Kobold schüttelt den Kopf. Er hat sich einen schwarzen Umhang umgelegt. Der genügt mir als Maskerade und vor dem Wind schützt er mich auch. Zähne habe ich schließlich selber.
„Bis vor einigen Jahren war im Schloss noch ein Hotel mit Gruselservice untergebracht, aber dann fiel es zurück an die Habsburger und …“, erklärt Alvin gerade – dann wird er angerempelt und stürzt zu Boden.
„Weg da, geh zur Seite, Hinkebein!“ fährt ihn ein vierschrötiger Junge mit kurzgestutztem Haar an und marschiert unbekümmert weiter. Alvins Vater hilft seinem Sohn wieder auf die Beine. „Was gibt es nur für Kinder heutzutage!“
„Hier sind jetzt nur noch Möbel, Gemälde, Krone und Dolch der Habsburger zu besichtigen. Keine Spur mehr vom Vlad“, berichtet Alvin und schüttelt benommen den Kopf. Ja, eine „Draculastimmung“ will auch bei Nepomuck nicht so recht aufkommen: Diese hellgetünchten Räume sind dazu viel zu freundlich.
„Ha, soll Dracula nur kommen, dem werde ich es schon zeigen!“, ertönt eine protzende Stimme. Da ist er ja wieder – dieser rücksichtslose Bengel von vorhin! Nepomuck heftet sich an dessen Fersen.
„Na, Oleg, du würdest schön laufen, wenn er wirklich käme“, sagt ein etwas kleinerer Junge.
„Ach Quatsch!“, schnaubt Oleg.
In Nepos Kopf nimmt ein Plan langsam aber sicher Gestalt an. Er huscht lautlos vorbei und versteckt sich in einem dunklen Nebengang. Der Zufall kommt ihm zur Hilfe, als sich ein Schnürsenkel an Olegs Schuh löst.
„Geh schon mal vor, Nicola“, befiehlt er dem anderen und bückt sich. In dem Moment schießt Nepomuck aus dem Gang – und beißt Oleg kräftig in den Hintern.
„Aaaaaaah!“, ein langgezogener Schmerzensschrei gellt durch die Gänge, und sofort bildet sich ein kleiner Menschenauflauf um den vor Schreck erstarrten Oleg.
„Ein Vampir! Er hat mich gebissen!“, anklagend zeigt der dicke Junge in die Richtung, in die der Kobold verschwunden ist. Doch außer ihm hat keiner etwas gesehen.
„Dracula?“, flüstert Nicola und glotzt seinen Freund mit weitaufgerissenen Augen angstvoll an.
„Ja – ich meine nein“, antwortet der mit weinerlicher Stimme, „er war … klein, eher wie eine
Fledermaus … und mit spitzen Zähnen.“
„Wo hat er dich denn gebissen?“, erkundigt sich ein Mann und lacht. Verlegen deutet Oleg auf sein Hinterteil. Im Hosenboden befinden sich zwei winzige Löcher, durch die jetzt tatsächlich ein wenig Blut sickert.
„Himmel! Ich dachte, Vampire beißen nur in den Hals“, kreischt ein kleines Mädchen und späht ängstlich um sich, während es mit beiden Händen seinen Po schützt.
„Hmm, wirst du nun auch zum Vampir?“, überlegt ein anderes.
„Wieder vergessen, die Knoblauchkette umzulegen, was?“, spottet eine Frau gutmütig. Oleg zieht den hochroten Kopf zwischen die Schultern – und rennt zum Ausgang, als wären tausend Teufel hinter ihm her – nun ja, „Drac“ bedeutet ja auch „Teufel“ auf rumänisch. Draußen blitzt und donnert es, ein wahrer Wolkenbruch ergießt sich auf die Gassen, doch nichts hält den entsetzen Jungen mehr in dem unheimlichen Schloss.
Alvin hinkt heran und legt dem Kobold die Hand auf die Schulter.
„Ist es möglich, dass du etwas damit zu tun hast, Nepomuck?“, fragt er leise. Der setzt eine Unschuldsmiene auf und grinst ihn an – entblößt dabei allerdings verräterisch spitze Zähne.
„Vielleicht wohnen hier ja doch noch Vampire“, antwortet er und zwinkert verschwörerisch.

Geschichte aus dem Buch
Mit Nepomuck auf Weltreise
Wie funktioniert eigentlich ein Heißluftballon, und wie leben die Eskimos heute? Was passiert, wenn ein norwegischer Kobold auf einen irischen Leprechaun trifft, und was kann man im Karina-Verlag so alles anstellen? Begleitet den lustigen Kobold Nepomuck auf seinen Reisen durch Europa, Asien, Amerika, Afrika und Australien und lernt Menschen, Tiere und verschiedene Kulturen hautnah kennen. Folgt ihm auf den Spuren der Hobbits, und werft mit ihm seinen ersten Bumerang. Die tollsten Abenteuer warten auf euch, denn wo Nepomuck sein Unwesen treibt, da wird es nie langweilig!
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3755717102

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Auch als E-Book erhältlich!

©byChristine Erdic

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Firmeninformation
Die deutsche Buchautorin Christine Erdic lebt zur Zeit hauptsächlich in der Türkei.
Beruflich unterrichtet sie in der Türkei Deutsch für Schüler (Nachhilfe), sie gab
Sprachtraining an der Uni und machte Übersetzungen für türkische Zeitungen.
Mehr Infos unter Meine Bücher- und Koboldecke
https://christineerdic.jimdofree.com/
https://literatur-reisetipps.blogspot.com/