Pflegefreibetrag ist grundsätzlich von allen pflegenden Personen anwendbar
Auch Kinder, die ihre Eltern pflegen, können den Pflegefreibetrag bei der Erbschaftsteuer geltend machen. / Die gesetzliche Unterhaltspflicht stellt kein Hindernis dar.
Wer pflegebedürftige Personen zu deren Lebzeiten betreut hat und dafür als Erbe oder Vermächtnisnehmer von diesem Menschen bedacht wird, darf grundsätzlich nach dessen Tod bei der Erbschaftsteuer einen Pflegefreibetrag geltend machen. Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass die gesetzliche Unterhaltspflicht dem nicht entgegensteht. „Von dem Urteil können auch bereits ergangene Bescheide noch profitieren, die häufig unter Vorbehalt erlassen wurden und daher noch geändert werden können“, betont Florian Faradi, Steuerberater bei der Steuerberatungs- und Rechtsanwaltsgesellschaft LKC Rosenheim, die Mitglied im bundesweiten Netzwerk HLB Deutschland ist.
In einem Streitfall wollte die Finanzverwaltung diesen Freibetrag nicht gewähren, da die Pflege von Verwandten in gerader Linie (sprich: Eltern-/Kind-Verhältnis) erbracht wurde. Hier bestehe schließlich eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung, deshalb sei kein Freibetrag zu gewähren. Geklagt hatte eine Frau, die ihre Mutter vor deren Tod zehn Jahre lang auf eigene Kosten gepflegt hatte. Zusätzlich zum Erbschaftsteuerfreibetrag von 400.000 Euro setzte sie daher in der Steuererklärung einen Pflegefreibetrag in Höhe von 20.000 Euro an, der ihr vom Finanzamt wegen der gesetzlichen Unterhaltspflicht jedoch nicht gewährt wurde.
Der Bundesfinanzhof sieht dies in seinem Urteil anders: Gesetzlich Unterhaltspflichtige seien nicht von einem Pflegefreibetrag ausgeschlossen, denn dessen Sinn und Zweck ist es, das „freiwillige Opfer der pflegenden Person zu honorieren.“ „Der Pflegefreibetrag trägt der Intention des Gesetzgebers Rechnung, die oft aufopfernden Pflegeleistungen von Angehörigen, Nachbarn oder Freunden steuerlich stärker zu berücksichtigen“, erklärt Faradi. „Da Pflegeleistungen zum größten Teil innerhalb der Familie – insbesondere zwischen Eltern und Kindern – erbracht werden, würde ein Ausschluss dieser Personengruppen die Freibetragsregelung in der Mehrzahl der Fälle hinfällig werden lassen.“
Das Gericht stellte ferner klar, dass der Erblasser, also der Verstorbene, nicht pflegebedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuches sein muss; das heißt er muss keine Pflegestufe haben. Der Pflegefreibetrag entfällt auch nicht, wenn der Erblasser so vermögend war, dass er rechtlich gar keinen Anspruch auf Pflege durch die Familie hätte geltend machen können.
Da familiäre Pflegezeiten in der Regel nicht so akribisch festgehalten werden wie etwa bei einem Pflegedienst, hat der Bundesfinanzhof zudem entschieden, dass als Vergleichsgröße die Vergütungssätze von Pflegediensten oder anderen Berufsträgern dienen können. „Der Erwerber des Vermögens muss Art, Dauer, Umfang und Wert der erbrachten Pflegeleistungen nachweisen können“, betont Faradi. Die tatsächliche Höhe des Freibetrags richte sich nach den jeweiligen Umständen im Einzelfall und könne maximal 20.000 Euro betragen.
Der Begriff „Pflege“ ist grundsätzlich weit auszulegen: Zu den Pflegeleistungen zählen unter anderem die Unterstützung und Hilfe bei den regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege (z.B. Waschen, Duschen, Kämmen), der Ernährung (z.B. Zubereitung und Aufnahme der Nahrung), der Mobilität (z.B. selbstständiges Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung) und der hauswirtschaftlichen Versorgung (z.B. Einkaufen, Kochen, Putzen, Wechseln und Waschen der Wäsche). Voraussetzung ist dabei, dass die Leistungen regelmäßig und über eine längere Dauer erbracht werden und ihnen ein Geldwert beizumessen ist, beispielsweise mit den Preisen eines ambulanten Pflegedienstes.
Tipp: Bereits ergangene Erbschaftsteuerbescheide sollten darauf geprüft werden, ob sie unter dem so genannten Vorbehalt der Nachprüfung erlassen wurden. Sollte das der Fall sein und die Festsetzungsverjährung ist noch nicht eingetreten, könnte der Pflegefreibetrag aufgrund des Urteils noch nachträglich geltend gemacht werden. Und: „Wer jetzt oder in Zukunft Pflegeleistungen erbringt, sollte die Zeiten und die Tätigkeiten genau dokumentieren, um im Falle einer Erbschaft den Aufwand nachweisen zu können“, rät Faradi.
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