Öffentliche Aufträge? Nein Danke!

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SUPPLY 03/2017
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(Hamburg, 3. Juli 2017) Bau- und Handwerkbranchen setzten immer weniger auf Aufträge aus öffentlicher Hand. Insbesondere auf lokaler Ebene klaffen Kostenschätzungen und Angebote weit auseinander. Die Gründe hierfür sind vielfältig und die Fronten verhärten sich. Viele Unternehmen setzten ausschließlich auf den privaten Sektor, berichtet SUPPLY, das Magazin für Vergabe und Beschaffung, in seiner aktuellen Ausgabe (Ersterscheinungstag: 29.6.2917)

Die wirtschaftliche Situation der Bau- und Handwerksbranche blüht – der Titel des neuen Konjunkturberichts für das erste Quartal des Jahres 2017 unterstreicht dieses: „Die Stimmung im Handwerk erreicht Höchstwerte“. Grund sind hohe private und öffentliche Investitionen in Wohnungsbau und Sanierungsarbeiten. Allerdings: Problematiken ergeben sich auf Seite der öffentlichen Auftraggeber: Die Auslastung der handwerklichen Betriebe führt durch den wegfallenden Wettbewerb zu enormen Preissteigerungen, so dass etliche Vergabeverfahren aufgehoben werden – Beispiele hierfür gibt es viele:

Lenzkirch, ein Ferienort im Schwarzwald: Auf eine Ausschreibung für geplante Kanalsanierungsarbeiten mit einer Kapazität von 200.000 Euro ging gerade einmal ein Angebot ein, das bei Betrachtung der Einzelpositionen zwischen 200 und 600 Prozent höher über den kalkulierten Preisen lag. Folge: Ausschluss des Angebots und Aufhebung der Ausschreibung. Bundesweit kein Einzelfall.

Interessenverbände haben für die hohen Abweichungen der Kostenschätzungen wenig Verständnis. Gleichzeitig sehen sie in der Aufhebung der Ausschreibungen die Gefahr der missbräuchlichen Anwendung, um Aufträge in die freihändige Vergabe zu übertragen. Die Differenz ergebe sich vielmehr aus veralteten Kostenansätzen der Kommunen und deren beauftragten Ingenieurbüros. Der Preisanstieg sei als natürliche Folge der Nachfragesituation sowie steigender Rohstoffpreise zu werten, dem sich die Kommunen annähern müssen. Auch Sebastian Geruschka, Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Straßen- und Tiefbaugewerbe im Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), prognostiziert eine zukünftige Preissteigerung: „Aufgrund des immens hohen Investitionsbedarfs insbesondere im Straßenbau und auch der mittlerweile zur Verfügung stehenden Finanzmittel werden sich in nächster Zeit die Preise im Wettbewerb anpassen.“

Viele Unternehmen bevorzugen vermehrt den privaten Sektor. Im SUPPLY Interview mit Kreishandwerksmeister Albert Overath aus Kiel verdeutlicht sich die offensive Haltung von Bau und Handwerk. Die Chancen, einen Zuschlag zu bekommen, seien gleich null. „Normalerweise ist der Preis das alleinige Zuschlagskriterium. Die Erfahrung zeigt aber, dass öffentliche Auftraggeber eher unrealistische Vorstellungen beim Preis haben.“ Kritik übt Overath vor allem an unbeschränkten Ausschreibungen: „Es sollten viel mehr beschränkte Ausschreibungen erfolgen, um gezielt kleine Betriebe in der Region zu fördern und hier die Wirtschafts- und Kaufkraft zu halten.“