„Formosa Four Seasons“ feiert Premiere in Berlin: Klanglandschaften der Jahreszeiten und Erinnerungen der Insel
Am 11. Mai 2025 fand die Uraufführung von Formosa Four Seasons (台灣四季.花繫), einem neuen Werk des Komponisten Yu-Hong Elijah Hung, im renommierten Piano Salon Christophori in Berlin statt. Das im kulturell lebendigen Stadtteil Wedding gelegene Veranstaltungsort ist bekannt für die Restaurierung antiker Klaviere und dient als geschätzter Raum für Kammermusikkonzerte. Es genießt einen einzigartigen Ruf in der europäischen Musikszene. Hier haben viele aufstrebende Musiker ihre Debüts gegeben, und sogar Mitglieder der Berliner Philharmoniker sowie andere professionelle Musiker wählen diesen Raum oft für Probenaufführungen vor großen Konzerten. Das Veranstaltungsort vereint Geschichte, Handwerkskunst und musikalische Praxis und bietet ein intimes und warmes Hörerlebnis bei jeder Aufführung.
Die Premiere vereinte drei bedeutende Musiker, die in der deutschen Musikszene aktiv sind: Johanna Pichlmair, ein Mitglied der Berliner Philharmoniker aus Österreich; Maria Krykov, die Solo-Kontrabassistin des Konzerthauses Berlin aus Finnland; und Han-Wen Jennifer Yu, eine Pianistin aus Taiwan. Die interkulturelle Zusammenarbeit dieser drei Musiker verlieh dem Werk eine tiefgehende interpretatorische Tiefe.
Der Komponist Yu-Hong Elijah Hong ist ein Vertreter der neuen Generation taiwanischer Komponisten und bekannt für seine lebendige musikalische Bildsprache sowie seine stilistische Kulturfusion. Seine Werke vereinen häufig Philosophie, Literatur und zeitgenössische gesellschaftliche Themen, wobei er besonders darin hervorsticht, regionale Kultur in eine klangliche Ausdrucksform mit narrativem Charakter zu überführen. Er wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, darunter der erste Preis beim Kompositionswettbewerb des National Taiwan Symphony Orchestra sowie Preise beim New Taipei City Folk Song Arrangement Competition, den Loviewer Microfilm Awards und dem Wettbewerb für Neue Chormusik aus Taiwan. Darüber hinaus ist er ein langjähriger Kooperationspartner im Rahmen des nationalen Kunstbildungsprojekts des taiwanischen Bildungsministeriums. Seine Werke wurden bereits in Städten wie New York, Berlin, Brüssel und an verschiedenen Orten in Asien aufgeführt. Er nahm an Projekten wie dem ISCM Taipei Internationalen Festival für Neue Musik, dem „One-Minute Symphony Project“ des Nationalen Symphonieorchesters (NSO) und dem Weiwuying Contemporary Music Festival teil. Zudem arbeitete er mit Dirigenten und Ensembles wie Jun Märkl, Lü Shaojia und dem Taipei Philharmonic Youth Orchestra zusammen.Yu-Hong Elijah Hong promoviert derzeit im Fach Komposition an der Taipei National University of the Arts, wo er bei renommierten Komponist:innen wie Chia-Lin Pan, Mei-Fang Lin und Lily Chen studiert hat.
Formosa Four Seasons ist inspiriert vom natürlichen Zyklus der vier Jahreszeiten in Ostasien und verwendet die westliche Kammermusikform, um die Verschmelzung traditioneller und zeitgenössischer musikalischer Sprachen des Komponisten zu erkunden. Der Kontrabass-Part in diesem Werk ist besonders anspruchsvoll und erfordert eine präzise Kontrolle der Technik und des Sounddesigns. Dennoch überwand Maria Krykov diese technischen Hürden mit einer außergewöhnlichen Darbietung und präsentierte eine reichhaltige und vielschichtige Klangtextur. Der Dialog zwischen Klavier und Violine zeigte ebenfalls eine feine Spannung und verlieh der gesamten musikalischen Sprache Tiefe und emotionale Erweiterung.
Die Reaktion des Publikums war enthusiastisch. Nach der Premiere hielt der Applaus mehrere Minuten an, und die Musiker nahmen zwei Vorhänge entgegen. Während der Pause näherten sich viele europäische Zuhörer den Darstellern, um nach dem Titel des Stücks und dem Hintergrund des Komponisten zu fragen, was auf den tiefen Eindruck hinwies, den das Werk beim Publikum hinterließ.
Das Werk besteht aus vier Sätzen, die jeweils eine der vier Jahreszeiten Taiwans darstellen: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Der Untertitel „花‧繫“ (Blumenlink) spielt auf das Wort „Blumensaison“ an und zielt darauf ab, geografische, ethnische und erinnerungsbasierte Themen durch vier Blumenbilder miteinander zu verbinden. Das thematische Material jedes Satzes stammt von der lokalen Flora und Volksmelodien, die in musikalische Motive umgewandelt wurden.
Der erste Satz, Frühling, ist inspiriert von den Öl-Tung-Blumen aus Emei in Hsinchu, die das Erwachen der Liebe symbolisieren. Die Musik enthält das lokale Hakka-Lied Moonlight Hua Hua, das ein thematisches Motiv bildet. Der zweite Satz, Sommer, konzentriert sich auf die Phoenix-Blumen aus Chaozhou in Pingtung, wobei das Thema Abschied und Graduation im emotionalen Zentrum steht und Fragmente des Paiwan-Volkslieds Loneliness So Alone verwendet, was eine bittersüße und eindrucksvolle Atmosphäre erzeugt.
Der dritte Satz, Herbst, führt uns zum alten Caoling-Pfad in der nordöstlichen Ecke Taiwans und beschreibt die standhafte und heilende Qualität der Silbergras-Landschaft. Er bezieht auch subtil das traditionelle Volkslied Diu Diu Tong mit ein und verbindet die Musik locker mit den Erinnerungen an das taiwanesische Eisenbahnsystem. Der letzte Satz, Winter, ist inspiriert von den Zypressen entlang der Daxi Cypress Avenue und verwendet melodische Motive aus dem Volkslied Moonlit Sorrow, wodurch eine fast ätherische Atmosphäre geschaffen wird, die die introspektive und ruhige Natur des Winters verkörpert.
Die Aufführung von Formosa Four Seasons war nicht nur eine musikalische Darbietung—sie ging darüber hinaus und bot eine kulturelle Erzählung, die über Sprachen und geografische Grenzen hinweg reichte. Sie lud das europäische Publikum ein, eine Landschaft aus unbekannten, aber aufrichtigen Erinnerungen zu betreten—eine Insel, deren saisonale Erlebnisse durch Blumen, Land und Klang miteinander verwoben sind und eine zeitliche und kulturelle Identität erschaffen.